"Wir haben die Euphorie geahnt, die das Projekt auslösen kann."

20.04.2016

Die M1-Trainer Jochen Masching und Henning Richter im Interview

Es ist der größte Erfolg in der Geschichte der SG Hegensberg-Liebersbronn im Männerbereich: Meisterschaft in der Bezirksliga und Aufstieg in die Landesliga stehen fest, auch wenn am kommenden Samstag das letzte Saisonspiel gegen den tus Stuttgart (Anpfiff: 20 Uhr in der Römerhalle) noch ansteht. SG-Trainer Jochen Masching und Co- und Spielertrainer Henning Richter sprechen im Interview mit Achim Wörner über die Gründe für den Erfolg einer neu formierten Mannschaft und über die Rückholaktion des Vereins, über die Gefühle, die sich mit dem Titel verbinden, und die Ziele für die Zukunft: „Mit Gemütlichkeit kannst du nichts erreichen.“ 

Jochen, Henning, wie fühlt sich der Aufstieg an?

Jochen: Was für ein Frage: ziemlich gut, natürlich. Ich bin schon beeindruckt, wie relativ souverän wir das gemeistert haben – auch wenn die einzelnen Spiele nicht immer perfekt waren.

Henning: Wir alle – Mannschaft, Trainer, aber auch das ganze Umfeld – haben extrem viel investiert. Da fällt schon etwas ab, wenn es geschafft ist. Zumal wir nicht damit rechnen konnten. Es gibt in der Bezirksliga viele Mannschaften, die es hätten packen können.  

Du bist damals mit dem TV Reichenbach auch aus der Bezirksliga aufgestiegen, Jochen. Gibt es Parallelen?

Jochen: Die Strukturen beider Vereine sind ähnlich. Der Einsatzwille auch um die Mannschaft herum ist sehr hoch. Und es macht einfach Spaß zu erleben, wie viele Menschen sich über den Erfolg mit freuen.

Was hat dich als Reichenbacher Urgestein überhaupt auf den Berg verschlagen?

Jochen: Ich habe in Reichenbach viel erlebt und eine super Zeit gehabt – aber irgendwann war der Moment da, wo etwas Neues kommen musste und ich bin sehr dankbar für das Vertrauen der Abteilungsleiter, dass ich als Trainer diese Herausforderung stemmen kann. Das Gesamtpaket bei der SG hat einfach gestimmt: die Rückholaktion von höherklassigen Eigengewächsen hat Hand und Fuß und schafft eine hohe Identifikation innerhalb des Vereins. Das war mir von Anfang an sehr sympathisch.  

Es ist außergewöhnlich, dass gleich mehrere Spieler im besten Handballer-Alter freiwillig zwei, drei Klassen tiefer antreten – auch wenn ihr alle bei der SG, beim TV Liebersbronn oder dem TV Hegensberg, Handballspielen gelernt habt. Was war euer Motiv, Henning? 

Henning: Wir alle haben uns das nicht leicht gemacht, für uns alle war es eine schwere Entscheidung. Denn wir haben uns jeweils in einem gesicherten Umfeld befunden, waren in unseren Teams jeweils auch Leistungsträger. Davon verabschiedest du dich nicht leichten Herzens...

...aber?

Henning: Wir wussten, was wir hier bei der SG Hegensberg-Liebersbronn vorfinden, haben die Euphorie geahnt, die solch ein Projekt auslösen kann, und haben uns so gegenseitig angesteckt. Abgesehen davon kennen wir uns alle ja von Jugendtagen an und haben früher schon zusammen gespielt. Es war also klar, dass wir uns da nicht auf ein Abenteuer einlassen, sondern ganz bewusst einen ungewöhnlichen Weg gehen. Umso schöner, dass sich der Erfolg so schnell eingestellt hat.  

Dabei war das Saisonziel nach außen ja eher zurückhaltend formuliert: aus taktischen Gründen?

Jochen: Ich denke, das gebietet allein der Respekt vor allen anderen Mannschaften. Und in der Bezirksliga sind etliche, die richtig gut Handball spielen können. Unser internes Ziel war immer klar: die Meisterschaft, der Aufstieg. Aber es gibt im Laufe einer langen Saison so viele Unbekannten: Formtiefs, Verletzungen, vor denen ja auch wir nicht gefeit waren. Unser Vorteil war in solchen Momenten sicher der in der Breite gut aufgestellte Kader. Eine Garantie hast du dennoch nie – und deshalb halte ich wenig davon, hohe Ziele Vorlaut in die Welt zu posaunen.      

Was zeichnet die Mannschaft denn aus?

Henning: Es mag sich banal anhören, aber dadurch dass wir uns seit Jahren kennen, haben wir einen unglaublichen Zusammenhalt – auch außerhalb des Spielfeldes.

Jochen: Keine Frage: es ist eine tolle Gemeinschaft, es gibt keine Grüppchenbildung, jeder hat seinen Platz im Team, das ist schon mal eine gute Voraussetzung. Dann haben wir einfach gute Handballer in den Reihen, die eine gehörige Portion Ehrgeiz mitbringen. Wichtig war zudem, dass die erfahrenen Kräfte, die schon höher gespielt haben, sich mindestens genauso reingehängt haben wie alle anderen – und nicht gesagt haben, mir reichen zweimal Training in der Woche. Denn mit Gemütlichkeit kannst du auch in dieser Klasse mit Sicherheit nichts erreichen, man muss viel investieren.    

Das Team verfügt über individuelle Klasse, aber wurde doch ziemlich neu formiert. Welche Idee habt ihr dabei verfolgt?

Jochen: Wir wollten die Last von Anfang an auf viele Schultern verteilen. Klar ist, dass die Leistungsträger, die erfahrenen Kräfte Verantwortung übernehmen müssen und dies auch tun. Aber uns war wichtig, dass wir die Dinge immer mannschaftlich lösen, dass jeder seinen Beitrag zum guten Gelingen leistet. Wir haben uns in dieser ersten Saison bewusst auf eher wenige taktische Dinge beschränkt, beispielsweise mit unserer 6:0-Formation nur ein Abwehrsystem gespielt, das aber perfekt eingeübt anstatt uns mit mehreren Varianten zu verzetteln.  

HeLi war zumindest für die Konkurrenz von Anfang an der große Aufstiegsfavorit: wie groß war der Druck von innen und außen? 

Henning: Den größten Druck haben wir uns als Mannschaft gemacht. Die Dinge, die von außen kamen, haben wir gar nicht wirklich an uns herangelassen; und von Seiten des Vereins gab es ohnehin keinerlei Vorgaben im Blick auf einen Tabellenplatz.  

Erstaunlicherweise habt ihr gerade gegen die Mit-Favoriten wie das Team Esslingen oder Weilheim immer mit die stärksten Leistungen abgerufen. Wie das?

Jochen: Das erklärt sich leicht, denn in solchen Spielen sind alle bis unter die Haarspitzen motiviert. Da ist dann automatisch auch die Emotionalität auf dem Feld, die du brauchst, um wirklich gut zu sein und wir haben trotz der hohen Emotionen trotzdem nicht den Faden verloren innerhalb der Spiele. Es hat sich schon gezeigt, dass man keinen Gang zurückschalten darf: dann kann es auch gegen vermeintlich leichtere Gegner schwer werden, wie die Schwankungen zeigen, die wir innerhalb etlicher Begegnungen ohne Zweifel hatten.

Ist euch bange vor der Landesliga?

Jochen: Wir haben in der Vorbereitung und im Pokal gezeigt, dass wir auch gegen höherklassige Mannschaften gut mithalten können. Aber es wird natürlich kein Selbstläufer werden, sondern wir müssen weiter sehr intensiv an uns arbeiten und uns gerade im Blick auf die taktischen Varianten deutlich weiter entwickeln: in der Abwehr, aber auch im Angriff. Da ist noch Luft nach oben.  

Wie definiert sich eigentlich Erfolg für euch? Zählt das nackte Ergebnis des Aufstiegs?

Henning: Ich würde das etwas Grundsätzlicher sehen. Natürlich ist so ein Aufstieg ein schöner Erfolg, aber es würde zu kurz greifen, das als alleinigen Maßstab zu nehmen. Im Kern geht es eher darum, nie zufrieden zu sein, sich nicht ausruhen, sondern sich immer weiterentwickeln zu wollen. Und das zeichnet die SG seit einigen Jahren aus.  

Die spezielle Philosophie des Vereins besteht ja darin, mit eigenen Kräften nach oben kommen zu wollen: wie kann es gelingen, den Nachwuchs an ein Top-Niveau heranzuführen?

Jochen: Es gibt bei der SG aus meiner Sicht gute Voraussetzungen. Wir haben einen starken Kader, der noch einige Jahre so zusammenbleiben und das Grundgerüst der Mannschaft bilden kann. Dies gibt schon jetzt die Möglichkeit,   auch den Jungen im Team Spielanteile zu geben und nicht irgendwann auf einen Schlag einen Umbruch herbeiführen zu müssen.  

Aber die Ansprüche werden steigen. Geht es tatsächlich ohne Zuwachs von außen?

HenningHenning: Wir haben die Jugendarbeit in den vergangenen Jahren intensiviert und mit einem klaren Konzept hinterlegt. Die Früchte ernten wir jetzt schon, denn je jünger unsere Jugendmannschaften sind, desto leistungsstärker sind sie. Auf diesem Weg müssen wir konsequent weitermarschieren, um immer wieder Talente aus dem eigenen Laden in die erste Mannschaft integrieren zu können. Und wenn dann doch von außen jemand dazu kommt, dann muss er zu 100 Prozent auch menschlich zum Verein passen und sich vor allem auch über das Spielen hinaus aktiv im Verein einbringen.  

Der Handball steht im Wettbewerb mit anderen Freizeitaktivitäten, die Kinder und Jugendliche heutzutage ausüben können. Was spricht für den Mannschaftssport?

Jochen: Das ist vor allem das soziale Moment: man lernt sich in einer Gruppe zu bewegen, sich einzuordnen, aber auch durchzusetzen, gemeinsam Ziele zu erreichen, aber auch gemeinsam zu verlieren. Das ist von unschätzbarem Wert.

Henning: Und natürlich ist das Vereinsleben mehr als nur zweimal pro Woche zu trainieren, sondern im Idealfall eine echte Gemeinschaft. Es ist das Schöne bei der SG, dass sie von ganz vielen ehrenamtlich engagierten Menschen getragen wird. Und ich habe den Eindruck, dass sich   herumspricht, was hier passiert, und wir zunehmend eine echte Adresse werden.  

Ist es eigentlich ein gutes Gefühl, jetzt die Nummer 1 im Esslinger Handball zu sein? Oder wäre es perspektivisch nicht besser, doch gemeinsame Sache mit dem Team zu machen?

Jochen: Um diese Dinge richtig zu verstehen, bin ich noch nicht lange genug in Esslingen.

Henning: Da kann ich dir helfen. Ich denke, dass es in Esslingen genügend Spieler gibt, damit auch zwei Mannschaften nach oben kommen können. Beide Vereine gehen ihren jeweils eigenen Weg, haben eigene Konzeptionen – und das ist auch gut so.

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